Transplantationsmediziner geht wieder zur Schule

Wenn der eigene Tod eine Entscheidung fürs Leben bedeutet: Junge Menschen haben großes Interesse und viele Fragen zu Transplantation und Organspende. Dr. Florian Sommer klärte Maria-Ward-Schüler auf.

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Von Ines Lehmann | Menschen für etwas begeistern? Keine leichte Aufgabe. Florian Sommer und Franziska Liebhart ist es gelungen. Arzt und Transplantationsmediziner der eine, Goldmedaillengewinnerin und Botschafterin für Organspende die andere. Im Maria-Ward-Gymnasium sprachen beide im Rahmen des Biologie-Unterrichts – initiiert von Biologielehrerin Christine Strobel – vor den 10. und 11. Klassen über Transplantation, Organspende und die Bereitschaft, einen Organspendeausweis auszufüllen und mit sich zu tragen – und schafften es so, die jungen Menschen, die zahlreiche Fragen stellten, an diese nicht leichten Themen heranzuführen.

Dr. med. Florian Sommer, geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationsmedizin am UKA, führte mit einem kurzen Blick in die Geschichte in die Transplantationsmedizin ein und nannte beeindruckende, wenn auch besorgniserregende Zahlen. 1945 gelang es Medizinern in den USA zum ersten Mal, eine Niere zu transplantieren. Den schweren Eingriff überlebte der Patient nicht nur, er lebte noch viele Jahre mit der Niere seines Zwillingsbruders. Dieses Glück haben viele Patientinnen und Patienten nicht. Sie sterben gewissermaßen auf der Warteliste, weil nicht schnell genug ein Spenderorgan zur Verfügung steht. Deutschland ist dabei das Negativ-Beispiel in Europa für die Regelung der Organspende. Hier kommen zehn Organspender auf eine Millionen Menschen. Im katholischen Spanien sind es 44. Unter anderem ein Grund dafür ist, dass Deutschland nach wie vor auf die erweiterte Zustimmungslösung setzt, Spanien aber – wie der Rest von Europa – auf die Widerspruchslösung. Dies bedeutet, dass jeder und jede Erwachsene, der nicht aktiv widerspricht, einer Organspende zustimmt. Es sei denn, sie oder er widerspricht bei der zentralen Registerstelle oder vermerkt dies im Organspendeausweis.

Deutsche profitieren von der Spende-Bereitwilligkeit der EU-Bürger

In Europa werden die Organspenden über die Stiftung Eurotransplant mit Sitz in Leiden/Niederlande zugewiesen. Deutsche Patientinnen und Patienten profitieren so von der Spende-Bereitwilligkeit der Bürgerinnen und Bürger der anderen europäischen Staaten. Zum Glück für Franziska Liebhart. Die heute 42-Jährige leidet seit ihrer Jugend an einer gefährlichen Autoimmunkrankheit. Dreimal wurde sie inzwischen transplantiert: Zweimal bekam sie eine Lunge, einmal die Niere ihres Vaters. Während der Abklärung des Nierenversagens vor der zweiten Lungentransplantation kam es zu einem Schlaganfall, der sie halbseitig lähmte. Mehrmals sprang sie dem Tod von der Schippe. Das alles – schwere Operationen, wochenlange Krankenhausaufenthalte, eingeschränkte Lebensqualität, 100 prozentige Abhängigkeit von anderen Menschen – hielt sie nicht davon ab, für die Paralympics im Kugelstoßen zu trainieren. Um sie im Jahr 2016 in Rio de Janeiro zu gewinnen und Gold für Deutschland zu holen. Sie appellierte ebenso wie Dr. Sommer an die Jugendlichen, sich mit dem Thema Organspende zumindest einmal intensiv auseinanderzusetzen und mit Eltern, Freunden und Bekannten darüber zu sprechen. „Wer sich dann gegen die Organspende entscheidet, ist kein schlechter Mensch“, betonte sie. „Aber denkt bitte einmal darüber nach und stellt euch vor, dass man selbst nach dem Tod anderen Menschen noch das Leben retten kann.“

Selbstverständlich sei dies ein sehr sensibles und erst recht kein angenehmes Thema. Wer wolle sich schon, gerade in jungen Jahren, mit dem eigenen Tod auseinandersetzen. Aber wenn er denn unvermeidlich eingetreten ist, könnte es sogar ein beruhigender Gedanke zu Lebzeiten sein, dass man nach seinem Tod anderen Menschen helfen kann weiterzuleben. Die Köpfe der Schülerinnen und Schüler rauchten quasi nach den Vorträgen. Beim Frageblock schossen die Arme nach oben:

Würden Sie Ihre Spender gern kennen?
Antwort F. Liebhart: Eher nein. In Deutschland sind die Namen anonymisiert. Ich trage die Spender immer in meinem Herzen.

Kann man sich auf dem Schwarzmarkt eine Niere kaufen?
Antwort Dr. Sommer: Glücklicherweise nein. In Europa gibt es keinen Organhandel. Diese Sicherheit gibt es in manch anderen Ländern leider nicht.

Gab es, wie in den USA, in Deutschland bereits den Versuch einer Xenotransplantation? (Spenderorgan von einem Tier, Anm.d.Red.)
Antwort Dr. Sommer: Es gibt neben den Forschungsteams in den USA ein Team aus München, das mit seinen Ergebnissen den Weg bereitet hat für die erste Xenotransplantation in den USA, aber in Deutschland ist dies noch nicht durchgeführt worden.

Würde man auch eine Raucherlunge transplantieren?
Antwort Dr. Sommer: Grundsätzlich ja, die „gesunde“ Lunge eines Rauchers würde man im Notfall transplantieren. Nur Organe mit starken Vorerkrankungen oder gar Tumoren würde man nicht transplantieren.

Wenn Ihre Autoimmunkrankheit Ihre eigenen Organe angegriffen hat, warum greift sie dann nicht die fremden Organe an?
Antwort F. Liebhart: Gute Frage. Ist nicht ganz klar. Die gängige Theorie dazu lautet, dass die fremden Organe eine ganz andere Genetik haben. Warum die Erkrankung dann aber die Niere meines Vaters „akzeptiert“, weiß ich auch nicht.

Kann man transplantierte Organe noch einmal transplantieren, also wenn ein transplantierter Patient z.B. bei einem Autounfall stirbt?
Antwort Dr. Sommer: Nein, das ist nicht möglich. Alle unsere transplantierten Patientinnen und Patienten tragen zwar einen Organspendeausweis bei sich, ihre transplantierten Organe können aber nicht gespendet werden, jedoch gegebenenfalls die gesunden anderen Organe!

Was haben Sie nach Ihrer Sportkarriere gemacht?
Antwort F. Liebhart: Nach Rio habe ich begonnen abzutrainieren. Jetzt halte ich Referate und Vorträge, an Schulen und gemeinnützigen Einrichtungen selbstverständlich kostenfrei.

Gibt es eine Altersgrenze für Transplantationen?
Antwort Dr. Sommer: Im Grunde nicht. Es kommt alles auf den Zustand des Organs an. Es gibt im Gegenteil sogar ein Programm für ältere Spender und ältere Empfänger. Die älteste Niere, die wir in Augsburg transplantiert haben, war die eines 78-Jährigen.

Wie wollen Sie die Zweifel an der Organspende beseitigen?
Antwort Dr. Sommer: Genau das ist der Knackpunkt: Es gibt in Deutschland eine sehr hohe Zustimmungsrate für Organspenden, nur eben nicht für das Ausfüllen und Tragen eines Organspendeausweises. Das könnte die Politik mit dem Beschluss der Widerspruchslösung sofort ändern. Dann muss sich jeder einmal damit auseinandersetzen. Darüber hinaus müssen wir weiter aufklären und mit den Menschen diskutieren. Dazu gehört auch, den Tod, vor allem den eigenen, zu enttabuisieren.
Antwort F. Liebhart: Wichtig in dem Zusammenhang ist, dass man seine Entscheidung jederzeit revidieren kann. Das ist keine Entscheidung fürs Leben – oder eben gerade doch!

BU:
Die Schülerinnen und Schüler des Maria-Ward-Gymnasiums bewiesen mit ihren Fragen ein sehr großes Interesse am Thema Organspende. Foto: Ines Lehmann