Die häufigste Form einer Synkope stellt jedoch die harmlose »banale Ohnmacht« nach längerem Stehen oder Sitzen dar. Das klassische, je dem vertraute Bild hierzu ist der englische Gardeoffizier, der nach längerem Stehen plötzlich bewusstlos umfällt, um nach wenigen Sekunden im Liegen wieder aufzuwachen.
Um im Stehen einen ausreichenden Blutdruck zur Versorgung der Körperorgane (u.a. des Gehirns mit Erhalt des Bewusstseins) zu gewährleisten, werden durch das sympathische Nervensystem die Gefäße etwas enger gestellt und der Pulsschlag etwas beschleunigt. Diese normale Kreislaufreaktion im Stehen wird nun bei diesbezüglich empfindlichen Menschen nach üblicherweise einer längeren Stehzeit von 10-20 Minuten plötzlich unterbrochen. Wahrscheinlichster Grund hierfür ist eine starke Reizung eines überempfindlichen »Druckabnehmers« in der linken Herzkammer durch das sympathische Nervensystem. Folge ist eine sogenannte vasovagale Reaktion: die Aktivität des sympathischen Nervensystems wird unterbrochen, das parasympathische Nervensystem aktiviert. Dies führt zu plötzlicher Weitstellung der Blutgefäße und meistens auch zu Abfall der Pulsfrequenz mit der Folge eines drastischen Blutdruckabfalls mit Minderdurchblutung des Gehirns, Eintritt der Bewusstlosigkeit und Hinstürzen. Im Liegen tritt rasche Erholung ein mit Ansteigen des Blutdrucks und Wiedererlangen des Bewusstseins. Es handelt sich somit nicht um eine Erkrankung, sondern um eine eigentlich harmlose Kreislaufregulationsstörung. Diese kann jedoch, insbesondere bei raschem Einsetzen, fatale Verletzungs oder Unfallfolgen haben. Neben längerem Stehen oder Sitzen (z.B. während Autofahren, nach dem Essen) kann eine solche vasovagale Reaktion auch andere, jedem bekannte Auslöser haben wie Schmerz (z.B. Bewusstlosigkeit bei Blutabnahme), Schreck, Freude, Husten, Schlucken kalter Getränke, aber auch, bei Männern, nach Wasserlassen im Stehen.
Beschwerdebild
Auf Befragen würde der Gardeoffizier angeben, er habe vor Eintreten der Bewusstlosigkeit für ca. 3060 Sekunden zunächst ein flaues Gefühl gehabt, Benommenheit, unscharfes Sehen und Übelkeit seien eingetreten, kalter Schweiß sei ihm ausgebrochen, ab da könne er sich an nichts mehr erinnern. Er sei im Liegen wieder wach geworden und habe sich rasch deutlich besser gefühlt.
Diese Warnsignale treten bei den meisten, leider jedoch nicht bei allen Menschen auf.
Verhalten bei Einsetzen der Warnsignale
Neben Verhütung spielt das richtige Verhalten bei Einsetzen von Warnsignalen eine wichtige Rolle. Sobald im Stehen (oder Sitzen) Beschwerden wie Benommenheit, Übelkeit, unscharfes Sehen, kalter Schweiss ausbruch auftreten, führen Sie bitte folgende Maßnahmen durch:
- Am besten wäre sofortiges Hinlegen. Falls nicht möglich:
- Verschränken Sie Ihre Hände ineinander (»FingerhakelStellung«) und versuchen Sie, sie mit beiden Armen auseinander zu ziehen. Dies führt zu einem raschen »Reaktivieren« des sympathischen Nervensystems und verhütet einen weiteren Blutdruckabfall, und damit das Einsetzen der Bewusstlosigkeit.
- Überkreuzen Sie Ihre Beine, pressen sie aneinander, spannen Sie zusätzlich die Gesäß- und Bauchmuskulatur an. Auch dies verhindert einen weiteren Blutdruckabfall.
Diagnostik
Häufig kann die Diagnose einer banalen Ohnmacht bereits aus den Angaben des Patienten oder anwesender Zeugen gestellt werden, wie dies bei dem Beispiel des Gardeoffiziers der Fall wäre. Bleibt eine Unsicherheit, hat sich als gute Untersuchungsmethode der sogenannte Kipptisch erwiesen. Hierbei wird das auslösende Stehmanöver als Provokation »nach gestellt«. Üblicherweise wird eine zugrundeliegende Herzerkrankung mittels EKG, BelastungsEKG, LangzeitEKG und Herzultraschall ausgeschlossen.
Vorbeugende Allgemeinmaßnahmen
- Vermeiden Sie längeres Stehen, insbesondere in überfüllten, stickigen Räumen, bei Übermüdung oder Überarbeitung.
- Stehen Sie langsam, nicht abrupt auf. Ist längeres Stehen unvermeidlich, Überkreuzen sie die Beine und Pressen Sie sie aneinander, »Krallen« Sie die Füße in den Schuhen zur Aktivierung der Muskelpumpe der Waden mus kulatur, spannen Sie hin und wieder die Gesäß- und Bauchmuskeln an.
- Achten Sie auf ausreichende tägliche Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Litern.
- Meiden Sie Alkohol, er wirkt gefäßerweiternd.
- Das Tragen von Stützstrümpfen ist empfehlenswert.
Stehtraining
Eine effektive Verhütungsmassnahme stellt das Stehtraining dar. Es soll zur »Desensibilisierung« des überempfindlichen Druckabnehmers führen durch vorsichtige Provokation der Auslösesituation. Stehtraining ist effektiv und verhütet künftige Bewusstlosigkeiten meist vollständig, wenn es regelmäßig durchgeführt wird. Gehen Sie bitte folgendermassen vor:
- Polstern Sie den Boden mit Decken etc. für den Fall einereintretenden Bewusstlosigkeit mit Sturz.
- Beginnen Sie mit 2 x 5 Minuten täglich, steigern Sie die Stehzeit alle 3 Tage um jeweils 5 Minuten auf maximal 2 x 40 Minuten täglich. Reduzieren Sie die Stehzeit bei Auftreten von Warnsignalen.
- Tägliches zweimaliges Durchführen dieses zugegebenermaßen »langweiligen« Stehtrainings von jeweils 40 Minuten verhütet künftige Bewusstlosigkeiten. Ein Trost: Sie dürfen Lesen, Musik hören, Fernsehschauen etc.