Dialyse zwischen zwei Kontinenten

Gefäßchirurg Alexander Hyhlik-Dürr unterstützt ein Krankenhaus in einem der ärmsten Staaten der Welt bei der Shuntchirurgie und operiert auch selbst Patienten dort. Bei seinem zweiten Besuch vor wenigen Wochen baut er eine Datenbank ohne WLAN auf, wird von einem Voodoo-Priester gesegnet und trifft den deutschen Botschafter in Benin.

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Dies ist eine Pressemitteilung des Universitätsklinikums Augsburg.
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Augsburg | Benin gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Zirka 13 Millionen Menschen leben hier. Die wenigsten von ihnen sind krankenversichert. Ein Klinikaufenthalt gilt beinahe als Luxus. Für Operationen und Eingriffe müssen die Patientinnen und Patienten selbst aufkommen. Auch Handschuhe, Mundschutz, Verbandsmaterial oder sterile Kompressen muss der Patient mitbringen. Von Deutschland aus erreicht man den westafrikanischen Staat in acht Flugstunden. Aber eigentlich liegen Welten zwischen beiden Ländern.

Prof. Dr. Hyhlik-Dürr, Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie am Universitätsklinikum Augsburg (UKA), sowie einige seiner Kolleginnen und Kollegen fliegen 2023 das erste Mal zu einem humanitären Sondereinsatz nach Afrika. Dort lernen sie unter anderem einen 19-Jährigen mit einer Schussverletzung im Oberschenkel kennen, der seit drei Monaten unbehandelt vor der Universitätsklinik von Cotonou ausharrt, weil kein Gefäßchirurg zur Verfügung steht. Im Laufe ihres damaligen Aufenthaltes behandeln Hyhlik-Dürr und seine Kollegen über 100 Patientinnen und Patienten ambulant, schaffen 50 Dialysezugänge und operieren Komplikationen wie die Bildung von Aneurysmen und Gefäßverengungen.

Nun ist der 57-Jährige erneut nach Benin gereist. Mit ihm dabei auf der Reise: Dr. Ute Dammer, Prof. Dr. Heiner Stiegler, beide aus Kaufbeuren, und Dr. rer. nat. Florian Pöllinger-Dammer, IT Spezialist vom Schulwerk der Diözese Augsburg . Wieder haben sie OP-Abdeckfolien, medizinische Einweg-Handschuhe, Medikamente, Spritzen, eine Lupenbrille und ein tragbares Ultraschallgerät für das Krankenhaus in Cotonou im Gepäck. Zusammen mit den afrikanischen Kolleginnen und Kollegen legen sie im Laufe einer Woche bei 41 Beninesinnen und Beninesen operativ einen Dialyseshunt, da diese an chronischer Niereninsuffizienz leiden und auf Blutwäsche angewiesen sind.

Der Gefäßchirurg hat außerdem mehrere Käppis mit dem Logo des UKA im Gepäck und trifft auf pure Freude und strahlende Gesichter, als er sie verteilt: Beim deutschen Botschafter in Benin, Dr. Stefan Buchwald, der ihn und sein Team zu einem Konzert einlädt und ihn für sein medizinisches und humanitäres Engagement für den afrikanischen Staat lobt. Beim König eines Stammes, der der Voodoo-Religion angehört und die Delegation aus Augsburg und Kaufbeuren segnet. Bei den beiden Dolmetschern, die in Benin die deutsche Sprache studieren und den Chirurgen wertvolle Dienste leisten bei der Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten. Und schließlich beim Ärztlichen Direktor der Universitätsklinik von Cotonou, der sich schon beim letzten Besuch Hyhlik-Dürrs sehr dankbar zeigte für die Unterstützung aus Deutschland.

Hyhlik-Dürr will es dabei aber nicht belassen. Zusammen mit seinem Team gelingt es ihm, eine Datenbank ohne WLAN anzulegen (das ehemalige afrikanische Königreich kennt keine Erste-Welt-Probleme). In diese speist er die Daten der 41 von ihm operierten beninesischen Patientinnen und Patienten ein. Zuhause kommen noch einmal so viele seiner Patienten in Augsburg hinzu. „In dieser Studie wollen wir Alter, Geschlecht und andere Parameter der Patienten vergleichen“, erklärt Hyhlik-Dürr. Unter anderem gelte es herauszufinden, inwieweit sich Wohlstand auf der einen und extreme Armut auf der anderen Seite auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. In Benin sind die dialysepflichtigen Patienten deutlich jünger als die vergleichbare Patientengruppe in Deutschland. Bis erste belastbare Ergebnisse vorliegen, braucht es noch Zeit. Aber einen entscheidenden Vorteil hat die Datenbank jetzt schon: „Von Augsburg aus können wir den Genesungsverlauf der von uns operierten Patienten in Benin verfolgen und eingreifen, wenn es jemandem schlechter geht. „Quasi Dialyse zwischen zwei Kontinenten“, sagt Hyhlik-Dürr.

Beim Bundesministerium für Entwicklungshilfe hat Hyhlik-Dürr einen Antrag gestellt, um Nachwuchsmedizinerinnen und –mediziner aus Benin in Benin ausbilden und in Deutschland hospitieren zu lassen. „Hilfe zur Selbsthilfe“, wie er sagt. Hyhlik-Dürr, zu dessen Schwerpunkten komplexe Eingriffe bei Bauch-Aortenaneurysmen und Aortenaneurysmen im Brustraum, schwere Erkrankungen der Halsschlagader sowie das Schaffen von Zugängen für Chemotherapie und Dialyse gehören, verbindet nicht nur Venen und Arterien, sondern auch Welten.

BU: Prof. Dr. Alexander Hyhlik-Dürr mit seinen Kollegen aus Benin. © privat